Nachhaltigkeitsexperte lehrt an TU Darmstadt

Gastprofessor Mohan Munasinghe nahm 2007 Nobelpreis in Empfang

24.10.2013 von

Um nachhaltige Entwicklung, Konsum, Produktion und Klimawandel geht es bei einem Blockseminar und zwei öffentlichen Workshops, die der sri-lankische Wissenschaftler Professor Mohan Munasinghe halten wird. Munasinghe, Nachhaltigkeitsexperte von Weltruf, lehrt vom 5. bis 15. November im Rahmen einer KIVA-Gastprofessur an der TU Darmstadt.

Professor Mohan Munasinghe. Bild: privat

Herr Munasinghe, seit über 20 Jahren arbeiten Sie auf höchster Ebene für eine nachhaltige Welt – bewegt sich etwas oder macht sich Ernüchterung breit?

Nachdem ich an allen drei Weltklimagipfeln und vielen anderen globalen Meetings zur nachhaltigen Entwicklung teilgenommen habe, merke ich, dass der Fortschritt alles andere als zufriedenstellend war. Die ursprünglichen Ziele des Klimagipfels 1992 in Rio wurden durch viel bescheidenere „Millennium Development Goals“ ersetzt. Die Politik setzt derzeit vor allem darauf, den Reichen zu helfen. Während der Finanzkrise trieben die Regierungen sehr schnell mehr als fünf Billionen US-Dollar auf, um angeschlagene Volkswirtschaften zu stützen. 1,7 Billionen US-Dollar werden jedes Jahr fürs Militär ausgegeben, aber nur etwa 100 Milliarden US-Dollar für die Bekämpfung der Armut und nur wenige Milliarden gegen die Klimaveränderung.

Um es zusammenzufassen: Ein Wechsel vollzieht sich, aber viel zu langsam – wir könnten also innerhalb des nächsten Jahrzehnts in einen Abgrund fallen, wenn mehrere globale Krisen gleichzeitig eintreten…

Dennoch habe ich Hoffnung, denn die Alternative ist undenkbar – die vier apokalyptischen Reiter: Hunger, Krankheit, Krieg, Tod. Ich habe auch großes Vertrauen in junge Menschen und glaube daran, die Fackel des Wissens und der Hoffnung auf eine bessere Welt weiterzugeben. Trotz aller Probleme, vor denen wir stehen, bin ich milde optimistisch. Obwohl unsere Aufgaben sehr komplex und ernst sind, können wir gemeinsam unsere Probleme lösen – vorausgesetzt, wir beginnen unverzüglich. Unsere Generation muss jetzt die ersten Schritte tun, und ich glaube daran, dass die jüngere Generation den Übergang in eine nachhaltige Welt vollenden kann.

Kann Interdisziplinarität wirklich funktionieren?

Der Komplexität der Aufgaben bei einer nachhaltigen Entwicklung kann eine einzelne Disziplin nicht gerecht werden. Bisher haben sich multi-disziplinäre Teams mit diesen Problemen auseinandergesetzt, aber alle arbeiteten in ihren Disziplinen. Interdisziplinäre Arbeit versucht, die Grenzen zwischen den Disziplinen abzubauen. Was wir aber brauchen, ist ein transdisziplinärer Ansatz, ein Rahmen, der das wissenschaftliche Potenzial diverser Fachrichtungen zu neuen Konzepten, Modellen und Methoden verwebt.

Die Vorlesungsreihe in Darmstadt basiert auf dem Konzept der „Sustainomics“, dessen Kernelement Transdisziplinarität ist. Der Kurs schließt Theorie, Anwendungswerkzeuge und Fallstudien ein. Sustainomics überschreitet Barrieren, um kreative und praktische Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung zu finden. Sustainomics ergänzt andere Ansätze, statt sie überflüssig zu machen. Technische Fachgebiete wie Ingenieurwesen, Biotechnologie und Informationstechnologie spielen eine Schlüsselrolle.

Was möchten Sie jungen Studierenden mitgeben? Und was erwarten Sie von den Studierenden an der TU?

Unter den vielen Universitäten in der Welt, die mich einladen, habe ich Darmstadt ausgesucht, um mein Seminar zu halten, da die TU Darmstadt wegen ihrer interdisziplinären Arbeit Weltruf genießt. Ich freue mich auf Synergien, gegenseitiges Lernen durch Ideenaustausch, auf Anschlussforschung und die Zusammenarbeit mit den Studierenden, Forschern und Lehrenden in Darmstadt.

Meine Hoffnung und Erwartung ist, dass das Seminar eine neue Generation von „Sustainomisten“ in Darmstadt hervorbringen wird, die wichtige Beiträge zur Entwicklung des Konzepts leisten können, das ich im Seminar vorstellen werde. Die Forscherinnen und Forscher in Darmstadt können dabei helfen, das neue Paradigma für nachhaltige Entwicklung aufzubauen, das die globale Öko-Zivilisation des 21. Jahrhunderts hervorbringen wird.

Hintergrund

Mohan Munasinghe hat mit dem Prinzip der „Sustainomics“ ein umfassendes System geschaffen, das verschiedene Disziplinen bei der Entwicklung von Nachhaltigkeit zusammenbringt. Er gilt als führender Experte auf diesem Gebiet – und ergänzt damit das Angebot der TU. Im Blockseminar „Sustainable development“ wird es darum gehen, das Thema nachhaltige Entwicklung von seinen Grundlagen her zu erschließen, aber auch alternative Ansätze aus Entscheidersicht zu diskutieren. Wichtig ist dabei der interdisziplinäre Zugang – wirtschaftliche, ökonomische und soziale Notwendigkeiten werden einbezogen.

Munasinghe selbst ist Physiker, Ingenieur und Ökonom, vertrat seine Theorien unter anderem beim Weltklimagipfel in Rio de Janeiro 1992 und war Mitglied im Umweltstab des amerikanischen Präsidenten. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPPC), dessen Vizevorsitzender Munasinghe war, wurde 2007 für sein Engagement zur Erforschung des Klimawandels zusammen mit dem ehemaligen Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten Al Gore mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.